Friday, September 28, 2012

Oyf viderzen, Vilne! // Good-bye, Vilna!

[english below]

An unserem letzten Tag in Vilnius haben wir heute mit Regina Kopelevich das "Grüne Haus" besucht, die Holocaust-Abteilung des Vilna Gaon Jewish State Museum. Hier baten wir sie, vor der Kamera aus der russischsprachigen Originalversion von Rachel Margolis' Memoiren jene Absätze vorzulesen und zu übersetzen, die von der rechten Presse skandalisiert wurden und Fania ins Fadenkreuz staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen brachten. Regina saß dabei an dem Schreibtisch, von dem aus Rachel Margolis den Aufbau des Museums vorangetrieben hatte.

Anschließend haben wir zwei Orte besucht, wo während der Sowjetherrschaft Grabsteine des jüdischen Friedhofs als Pflaster- bzw. Treppensteine missbraucht wurden.

Rossa-Platz // Rossa place
Das letzte Ziel unserer Dreharbeiten war der Rossa-Platz, auf dem die Deutschen die Wilnaer Juden und Jüdinnen nach Liquidierung des Ghettos eine Nacht im Freien festhielten. Nachdem die meisten der verbliebenen Männer sowie ein Teil der Frauen in Konzentrationslager deportiert worden waren, führten die Deutschen am nächsten Tag eine weitere Selektion auf dem Hof des oberhalb gelegenen Barock-Klosters statt. Die "arbeitsfähigen" Frauen wurden zur Zwangsarbeit bestimmt, während alle Übrigen nach Sobibor bzw. Ponar geschafft und ermordet wurden. Fanias Eltern und ihre jüngere Schwester Rivka befanden sich unter denjenigen, die die Deutschen in Konzentrationslager verschleppten, wo alle drei später ums Leben kommen sollten. Zu den wenigen Zeugen des Geschehens am 23. und 24. September gehört Michael Shemyavitz, der im sog. Heereskraftfahrpark 562 in Vilna Zwangsarbeit leisten musste. Heute leitet er das Beit Wilna in Tel Aviv, wo wir ihn im Juli zu einem Interview treffen konnten.

Im Anschluss an diese letzten Aufnahmen mussten wir uns sehr beeilen, unseren Rückflug noch zu erreichen.

Die sieben Tage sind viel zu schnell vergangen, doch sind wir zuversichtlich, das Beste aus der knappen Zeit gemacht zu machen. Wir hoffen, dass ihr diesen Eindruck teilt und Spaß an unserer Dokumentation der Dreharbeiten hattet. In den kommenden Wochen werden wir mit Vorarbeiten zur Postproduktion beginnen, über die wir euch hier auf dem Laufenden halten werden.

Zu guter Letzt noch einmal herzlichen Dank an alle unsere Interview-Partner_innen, die wir hoffen, sehr bald wiederzusehen.

Oyf viderzen, Vilne! Iki pasimatymo, Vilnius! Good-bye, Vilna! 


On our last day in Vilnius we met with Regina Kopelevich and visited the "Green House" which is the Holocaust division of the Vilna Gaon Jewish State Museum. Here we asked Regina to read out and translate for the camera the very paragraphs from the Russian original edition of Rachel Margolis' memoirs that were picked up by the right wing press and brought Fania in the line of fire of prosecutional investigations. Regina performed reading while sitting at the desk where Rachel Margolis for many years helped shaping the Holocaust Museum.

Afterwards we shortly visited two sites where under Soviet rule grave stones of the Jewish cemetery were abused as plaster and stair treads.

The last goal of today's filming was the Rossa square where after the liquidation of the Ghetto the Germans had detained the remaining Vilna Jews one night in the open. After most of the men and some of the women had been deported to concentration camps, another selection was held in the courtyard of the nearby baroque monastery. While the "fit for work" women were taken away for forced labor, the "unfit" including children and the elderly were brought to Sobibor or Ponar where they were murdered. Fanias parents and her younger sister Rivka were among those who were deported to concentration camps for forced labor where all three were subsequently murdered .

Michael Shemyavitz is one of the few surviving witnesses of the events of this end of the Vilna Ghetto. He was forced to work in the so-called 'Heereskraftfahrpark 562' (Army Automotive Park 562). Today he heads Beit Vilna in Tel Aviv where we were lucky to met with him in July for an interview.

Finishing our filming at these places we had to hurry to reach our plane. Last seven days have been passing far too quickly, but we believe we made the best of it.We hope you share this impression and enjoyed our documentation of the filming. In the upcoming weeks we will begin preliminary works for  post-production about which we will keep you updated on our blog.

Finally, we would like to thank once more all our interview partners. We hope to see you very soon again.

Oyf viderzen, Vilne! Iki pasimatymo, Vilnius! Good-bye, Vilna!





"Für den Sieg" // "To victory"

[english below]

Nachdem Nossa und Martin heute morgen bereits ihren Rückflug hatten antreten müssen, haben wir uns zu zweit in Begleitung von Regina auf den Weg gemacht, um Bilder und Ton von Orten in Vilnius aufzunehmen, die für unseren Film wichtig sind. U.a. waren wir noch einmal in der Gegend, in der Fania wohnt, ein Neubauviertel aus den 1970er Jahren.

Am frühen Nachmittag waren wir mit Ruth Kaplinski verabredet, der Tochter von Shmuel und Chiena Kaplinski, die die Einheit "Für den Sieg" anführten, der auch Fania angehörte. Ruth, die im Juli 1944 im Waldlager geboren wurde, wurde von ehemaligen Partisan_innen auch scherzhaft "Wasser" genannt, weil ihre Mutter, gefragt, ob sie schwanger sei, stets geantwortet hatte, sie habe einen Wasserbauch - denn Schwangerschaften waren unter Partisan_innen alles andere als erwünscht. Das Interview, das in einem Park vor dem ehemaligen KGB- bzw. Gestapo-Gebäude stattfand, stellte uns vor große Herausforderungen: wir mussten zu zweit zwei Kameras und zwei Tonaufnahmegeräte bedienen - und nicht zuletzt das Interview führen, das Regina aus dem Russischen ins Englische übersetzte.

Dennoch war das Gespräch äußerst lebendig und spannend, zumal Ruth - wie sie uns später "gestand" - bisher kaum über ihre Perspektive der Geschichte ihrer prominenten Eltern und deren ehemaligen Kamerad_innen gesprochen hatte. Weil sie ein besonders enges Verhältnis zu Rachel Margolis hat, konnte sie aus erster Hand von deren Schwierigkeiten berichten, von den litauischen Behörden als Opfer der deutschen Besatzungszeit anerkannt zu werden, weil sie eine sowjetische Partisanin gewesen war. Ruth half ihr, diesen Anspruch in zähem Ringen durchzusetzen. Auch Fania erinnert sie als ständigen Gast im Hause ihrer Eltern, und so konnte sie viele Details berichten und bestätigen, dass Fania eine sehr starke Persönlichkeit ist - die allerdings Schwierigkeiten habe, ihre Schwächen zu zeigen.

Herzlichen Dank an Ruth, mit der wir ganz sicher in Kontakt bleiben werden.

Anschließend haben wir einen ausgedehnten "Spaziergang" mit der Kamera gemacht, um noch mehr vom Alltagsleben einzufangen. Er endete spät mit einem wohlverdienten Bier und einem Panorama-Blick auf das spätsommerliche Vilnius.

After Nossa and Martin already had to return this morning, the two of us accompanied by Regina set off to do some video and audio recordings at locations in Vilnius which are particularly important for our movie. E. g. we drove once again to the area where Fania lives, a neighborhood build in the 1970s.

In the early afternoon we had an appointment with Ruth Kaplinski, the daughter of Shmuel and Chiena Kaplinski who had lead the unit "To victory" to which Fania belonged. Ruth - who was born in July 1944 in the partisan camp at Rudnicki - was
teasingly nicknamed by their parents' former comrades-in-arms "water" because her mother used to tell them she only had a water belly - pregnancies among partisans were anything but desirable. The interview which took place in a park in front of the former KGB respectively Gestapo building challenged us a lot: the two of us had to operate two cameras and two recording devices - and last but not least conduct the interview which Regina simultaneously translated from Russian to English.

Nevertheless, the conversation was very vivid and informative, especially since Ruth - as she later "confessed" - had hardly ever talked about
her perspective of the history of her prominent parents and their former comrades. Because she has a particularly close relationship to Rachel Margolis, she was able to report first hand of the latter's difficulties to be recognized by the Lithuanian authorities as a victim of German occupation because she used to be a soviet partisan. Ruth helped her to set through this claim in a law suit. She also remembers Fania as a frequent guest in her parents' house which enabled her to give us many details and to confirm that Fania has a very strong personality - but difficulties to show weakness.

Many thanks to Ruth, with whom we will certainly keep in touch.

Later we had an extensive "walk" with the camera to capture more scenes of the city's everyday life. It ended late in the evening with a well-earned beer and a panoramic view of late-summer Vilnius.

Thursday, September 27, 2012

Zay gezunt un shtark, Fania! // Stay healthy and strong, Fania!

[english below]

Gestern haben wir das staatliche "Genocide and Resistance Research Centre" aufgesucht und dessen Direktorin Birutė Burauskaitė interviewt. Eine markante Bezeichnung, nur leider versteht das Zentrum unter Genozid nicht in erster Linie den Holocaust, sondern praktisch ausschließlich die sowjetischen Verbrechen. Diese eigentümliche Interpretation der Geschichte schlägt sich auch in seinen Publikationen nieder oder im angeschlossenen "Museum of Genocide Victims", das erst seit Kurzem in einem kleinen Raum den Opfern des Holocausts gedenkt.

Erwartungsgemäß gab sich Frau Burauskaitė sehr diplomatisch oder zog die "Ich bin mit dieser Problematik nicht vertraut"-Karte. Zwar scheint sie nicht zu den Hardliner_innen zu gehören und äußerte einige Kritik an der staatlichen Gedenkpolitik und dem Umgang mit den jüdischen Partisan_innen, deklarierte diese jedoch umgehend als ihre persönliche Meinung - und nicht als offzielle Äußerung im Namen des Zentrums. Nach dem Interview mussten wir uns beeilen, da wir mit Fania im Jiddischen Institut verabredet waren. Hier trafen wir sie sehr aufgewühlt an, weil wir ohne ihr Einverständnis in der Wohnung im ehemaligen Ghetto einige Aufnahmen gemacht hatten, in der sie und ihre Familie zwei Jahre auf engstem Raume gelebt hatten. Zum Glück war ihr Ärger von kurzer Dauer, und so führte uns Fania noch einmal durch das ehemalige Ghetto, wo sie sehr eindrücklich von ihren Erlebnissen berichtete.


Wir gingen über die Strashun-Bibliothek, wo sie von der FPO-Leitung die Instruktionen zu ihrer Flucht erhalten hatte, über ihre Wohnung, wo sie sich von ihrer Familie ein letztes Mal verabschiedet hatte, über die kleine Pforte zur Deutschen Straße, über die sie mit ihrer Gefährtin Doba Develtof entkommen war, zur Ecke Pylimo/Traku, von der die beiden geschockt sahen, wie Lastwagen mit Soldaten aufs Ghettotor zufuhren.

Nahe dieser Stelle schloss sich ein sehr persönliches Gespräch über ihre Erfahrungen unmittelbar nach der Befreiung an, in dem ihre Verluste, aber auch ihr Lebensmut einmal mehr spürbar wurden - und die Nähe, die sich zwischen uns entwickelt hat. Anschließend begleiteten wir sie noch zum Bus, wo sich unsere Wege für dieses Mal in Vilnius leider trennten. Uns fehlen ganz ehrlich die Worte, an dieser Stelle auszudrücken, was uns ihre Person, ihre Zuneigung und ihr Vertrauen in uns bedeuten. Danke, Fania.


Yesterday we visited the state-run „Genocide and Resistance Research Centre“ and interviewed its director Birutė Burauskaitė. A distinctive institutional name, but strangely the centre's activities do barely cover the Holocaust, but almost exclusively the Soviet crimes. Its odd interpretation of history is reflected in the centre's publication list or in the affiliated „Museum of Genocide Victims“ which has begun to commemorate the victims of the holocaust only recently and in a small room. As expected, Birutė Burauskaitė spoke rather diplomatic. She criticized the state's commemoration practices and its attitude towards former Jewish partisans. However, she marked this to be her personal opinion and not the official position of the centre. 


After the interview we met with Fania whom we found very upset because we took pictures in her family's former apartment in the ghetto without her permission. Fortunately, her anger didn't last long and we took off for a last tour with her in the former ghetto. Once more, she spoke very impressively about her experiences regarding this place.

We walked the way from Strashun library (where she had received the last instructions to escape from the ghetto), to her apartment (where she had said goodbye to her family for the last time), via the little door which lead to the German street (through which she and her companion Doba Develtof had escaped), to the corner of Pylimo with Traku (from where the two watched in horror how trucks with soldiers approached the ghetto).

At this point we got into a very personal conversation about her experiences immediately after the liberation of Vilna throughout which her losses as well as her optimism once more became very noticeable - and also the closeness that has developed between us. Eventually, we accompanied her to the bus, where our ways parted for this time in Vilnius. We honestly lack the words to express what she, her affection and her confidence in our project mean to us. Thank you, Fania!

Tuesday, September 25, 2012

Befragung der Landbevölkerung zu den Partisan_innen // Interviewing the rural population on the partisans

[english below]

Heute früh sind wir mit dem Mietwagen in die Gegend um Rudnicki gefahren, um die Landbevölkerung nach ihrer Meinung zu den Partisan_innen bzw. zu ihren Erinnerungen zu befragen. Fania war durch diese Gegend auf ihrer Flucht aus dem Ghetto gekommen und hatte sich den sowjetischen Partisan_innen angeschlossen, die in den Wäldern operierten. Unsere Erwartungen waren gedämpft, weil niemand glauben wollte, dass es dort noch Augenzeug_innen gibt, zumal große Teile der polnischstämmigen Landbevölkerung nach dem Krieg in die Gebiete umgesiedelt wurden, die von Deutschland an Polen gefallen waren.

Eine besondere Herausforderung war zudem die multiethnische Zusammensetzung der Bevölkerung um Rudnicki, die zumeist darüber entschied, ob polnische, weißrussische, litauische, sowjetische oder jüdische Partisan_innenverbände unterstützt bzw. als Bedrohung betrachtet wurden.Dank der tatkräftigen Hilfe unserer Dolmetscherin Regina Kopelevitch, die als Guide mit Schwerpunkt jüdischer Geschichte tätig ist und aus der Region stammt, gelang es uns, schnell mit den Bewohner_innen ins Gespräch zu kommen. Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sich heraus, dass durchaus noch Augenzeug_innen der Geschehnisse vor Ort leben und diese sehr aufgeschlossen waren.

Im Hinblick auf die sowjetischen bzw. sowjetisch-jüdischen Partisan_innen tat sich ein ganzes Spektrum von Reaktionen auf, das von Sympathien bis hin zu Feindseligkeit reichte. So gab es unterschiedliche Beurteilungen der Ereignisse am 3. Juni 1944 in Pirčiupiai, wo deutsche Soldaten als "Vergeltungsmaßnahme" für einen Partisan_innenüberfall auf einen Wehrmachtstransport die gesamte Dorfbevölkerung in Scheunen trieb und verbrannte.

Besonders beindruckend war das Gespräch mit einem 86-jährigen Dorfbewohner Pirčiupiais, der nur überlebte, weil es ihm gelungen war, sich in den Wald zu flüchten, wo er sich eine Woche versteckt hielt. Unisono brachten die Befragten ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass die ortsansässige Landbevölkerung ganz besonders unter dem Krieg gelitten hat.

Nach unserer Rückkehr nach Vilnius erlaubten uns freundlicherweise die neuen Bewohner_innen die Wohnung im ehemaligen Ghetto zu besichtigen, in der Fania, ihre Familie und ein Dutzend weiterer Menschen hatten leben müssen


This morning we went with a rental car in the area around Rudnicki to interview the rural people on their opinion on the partisans or even learn about their experiences. Fania had come through the area on her escape from the ghetto and had joined the Soviet partisans who operated in its woods.

Our expectations were dampened, because nobody could believe that there were still eye witnesses around, especially since big parts of the Polish population were resettled after the war in the territories that had fallen from Germany to Poland. As a particular challenge we expected the multi-ethnic composition of the rural population around Rudnicki, which often determined about whether Polish, Belarusian, Lithuanian, Jewish or Soviet partisan units were either supported or considered as a threat.


Thanks to the active help of our interpreter Regina Kopelevitch, a guide specialized in Jewish history and with roots in the region, we quickly got into conversation with the residents. To her own surprise, it turned out that quite a few eye witnesses were still around and were even very communicative.
 

Asked about the Soviet or Soviet Jewish partisans a whole spectrum of opinions opened up that ranged from sympathy to hostility. For example, there were different assessments of the events in Pirčiupiai of June 3, 1944 where German soldiers as a "retaliation measure" for a partisan assault on an army transport drove the entire village population in barns and set them on fire. Particularly impressive was talking to a 86-year-old villager of Pirčiupiai who survived only because he was able to escape into the woods where he kept hiding for a week. With one voice, the respondents expressed their conviction that the local rural population suffered terribly from the war.
 

After our return to Vilnius we were invited by the today's residents of the apartment in the former ghetto where Fania, her family and a dozen other people had to live for months under claustrophobic circumstances.

Eindrucksvolles Gedenken in Ponar // Impressive commemoration in Ponar

[english below] 

Nach Rückgabe des Mietwagens sind wir zum Zentrum der Jüdischen Gemeinde gelaufen, um mit deren Bus zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 69. Jahrestags der Liquidierung des Ghettos nach Ponar zu fahren. Die Vertreter_innen der Gemeinde waren erwartungsgemäß sehr beschäftigt mit ihren Vorbereitungen - allen voran Fania, die uns nur kurz begrüßte. Nach kurzweiliger Fahrt im vollbesetzten Bus erreichten wir die Gedenkstätte in Ponar, wo sich bereits ein eigentümliches Gemisch aus litauischen Soldat_innen und Trachtenkindern, Politiker_innen, Überlebenden und Gemeindemitgliedern eingefunden hatte.


Auf dem Weg zum zentralen Memorial für die über 70 000 hier ermordeten litauischen Juden und Jüdinnen ergab sich ein eindrucksvolles Gespräch mit Melech Stalevich, der nach seinem Kampf in der Roten Armee 1945 in seine Heimatstadt Wilna zurückgekehrt war, in der ihn nichts an das erinnerte, was er aus der Vorkriegszeit kannte. Er blieb nur, nachdem sich herausgestellt hatte, dass seine totgeglaubte Mutter am Leben geblieben war. Er fand sehr deutliche Worte zur litauischen Gedenkpolitik. Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung hatten wir ein kontroverses Gespräch mit dem Geschäftsführer der umstrittenen "International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regimes in Lithuania ", Ronaldas Račinskas. In dieser Kommission hatte auch der ehemalige Partisan und Chef von Yad Vashem, Yitzhak Arad, gearbeitet, bis er infolge eines politisch motivierten Untersuchungsverfahrens entlassen wurde (siehe auch unseren Blogpost vom 5. Juli 2012).

Nach unserer Rückkehr aus Ponar und einer kleinen Pause fuhren wir zu Dovid Katz, der seine Kritik an der litauischen Gedenkpolitik unterstrich und berichtete, wie Fania Brancovskaja und Rachel Margolis auf die Anfeindungen gegen sie reagierten. Er berichtet dieses Mal sehr persönlich, wie er sich in den 00er Jahren des Rechtstrends in Litauen bewusst wurde, der ihn wider Willen vom Jiddisten zum politisch engagierten Historiker werden ließ.

Ein langer, aber erkenntnisreicher Tag. Morgen früh werden wir noch einmal in die Wälder von Rudnicki fahren, wo wir u.a. hoffen, unter der lokalen Bevölkerung Zeug_innen zu finden, die sich an die Partisan_innen erinnern können.


After returning the car, we walked to the center of the Jewish community to go on the bus provided by the community to the commemoration ceremony of the 69th anniversary of the liquidation of the Vilna ghetto. As expected, the representatives of the community were busy with preparations - especially Fania, who greeted us only briefly. After a diverting ride in the full up bus we reached the memorial in Ponar, where a peculiar mixture of Lithuanian soldiers, young couples in traditional lithuanian dresses, politicians, holocaust survivors and community members had gathered.

On the way to the central memorial for the more than 70 000 Lithuanian Jews, who were murdered here, we had an impressive interview with Melech Stalevich, a Jewish Red Army veteran. When he returned to his hometown of Vilna in 1945, he was shocked by scale of destruction. He settled again only after it turned out that his mother was still alive - as the only one of his family. He gave us some distinct remarks on Lithuanian commeroration politics. Following the memorial ceremony we had a argumentative interview with the executive director of the controversial "International Commission for the Evaluation of the Crimes of the Nazi and Soviet Occupation Regime in Lithuania", Ronaldas Račinskas. The former partisan and head of Yad Vashem, Yitzhak Arad, used to be part of this commission, until he was dismissed as a result of a politically motivated investigation procedure (see our blog post from july 5, 2012).

On our return from Ponar and a short break, we were invited at Dovid Katz' place who underlined his criticism of Lithuanian commemoration politics and told us how Rachel Margolis and Fania Brancovskaja reacted to the hostilities against them. He explained in a very personal manner, how he in the 00s years became aware of the revisionist trend in Lithuania which reluctantly made him turn from a yiddishist more and more into a politically engaged historian.


A long but insightful day. Tomorrow morning we will once again drive to the forests of Rudnicki where we i.a. hope to find witnesses among the local population who have memories of the partisans.

Sunday, September 23, 2012

Regnerischer Bildertag // rainy filming day

[english below]

Leider ist das Wetter sehr regnerisch geworden (und ein Teammitglied etwas krank). Trotzdem haben wir ein paar sehr schöne Bilder und Tonaufnahmen vom Bahnhof in Vilnius machen können, wo Fania nach der Befreiung der Stadt vielmals auf die Rückkehr ihrer Schwester Rivka aus den deutschen Konzentrationslagern gewartet hat - leider stets vergeblich. Anschließend sind wir in die Nähe von Ponar gefahren, wo wir aus dem Unterholz Güterzügen "aufgelauert" haben, die sich in beeindruckender Weise vorbeischoben. Fania hatte im gestrigen Interview von "Oifgab'n" gesprochen, die deutsche Nachschubzüge zum Ziel hatten. Auf dem Rückweg haben wir uns prompt im Wald verlaufen - wie es Fania auf ihrer ersten Mission geschehen war.

Morgen wird in Ponar der Liquidierung des Wilnaer Ghettos gedacht - eigentlich ist der Jahrestag heute, aber die Gedenkveranstaltung wurde mit Rücksicht auf Regierungsvertreter_innen und Diplomat_innen auf Montag verschoben. Wir werden Fania mit dem Bus der jüdischen Gemeinde dorthin begleiten - dann wohl wieder vollzählig.


Unfortunately the weather turned very rainy (and a member of the team got a little sick). Nevertheless, we did ​​some nice images and sound recordings at the central train station of Vilnius, where Fania after the liberation of the city had come to wait many times for the return of her younger sister Rivka from the German concentration camps - to no avail. Afterwards we drove near by Ponar, where we "ambushed" freight trains out of the woodwork that passed in an impressive manner. In yesterday's interview, Fania had spoken of "Oifgab'n" which targeted German supply trains. On our way back to the parking, we promptly got lost in the woods - as it had happened to Fania on her first mission.

Tomorrow the liquidation of the Vilna Ghetto will be commemorated in Ponar - its anniversary was actually today, but the ceremony had been postponed to Monday to accomodate officials. We will accompany Fania on the bus provided by the Jewish community - then probably again with the complete team.


Tafel am Bahnhof Vilnius. Die Erinnerung nazistischer Verbrechen fehlt. // Memorial plate at Vilnius train station. The commemoration of Nazi crimes is absent.

Fantastischer erster Drehtag // Great first filming day

[english below]

Zu unserer Freude hat Fania am Morgen zugesagt, den Tag mit uns zu verbringen. Weil das Wetter schlechter werden soll, schlug sie vor, heute in den Wald von Rudnicki zu fahren. Wir haben sie mit unserem Mietwagen abgeholt und sind die etwa 30 Kilometer Richtung Süden bis zu der Gedenkstätte gefahren, die sich nahe des einstigen Stützpunkts von Fanias Einheit befindet. Das Sowjetregime hatte hier deren Erdhütten mit Beton rekonstruiert. Weil die Stätte der litauischen Regierung ein Dorn im Auge ist, lässt sie diese verfallen. Wir haben hier und in den Ortschaften gedreht, die Fania mit ihrer Kameradin Doba Develtof auf ihrer Flucht aus dem Wilnaer Ghetto vor fast genau 69 Jahren passieren musste. Die Gesprächspausen nutzte Fania übrigens, um Pilze zu sammeln.

Abends schloss sich eine Einladung bei ihr zum Essen an, von der wir eben erst zurückgekommen sind. Wir hatten einen wunderbaren Abend und weitere Gespräche, die das Projekt sehr vorangebracht haben. Obwohl wir völlig erschöpft sind, sind wir Fania dankbar für den tollen ersten Tag.

 

To our delight, Fania proposed in the morning to spend the day with us. Since it is supposed to rain the next days, she suggested to visit the forests of Rudnicki today. After picking her up with our rental car we drove about 30 kilometers to the south heading for the secluded memorial, which is located near the site of the former camp of Fania's partisan unit. The Soviet regime had reconstructed their burrows with concrete. Since the site is an eyesore to the Lithuanian government, it falls more and more into ruin. We were filming here and in the villages, Fania and her comrade Doba Develtof had to pass on their way out of the Vilna Ghetto almost exactly 69 years ago. By the way, Fania made use of the pauses picking mushrooms.

In the evening we were invited for dinner at her place, from where we have just returned. We had a great time and further conversations on her life story after the war which pushed the project another big step forward. Though exhausted we are very thankful for this great start.

Friday, September 21, 2012

Gut angekommen! / Welcome to Vilnius!

[english below]

Nach einer kurzen Nacht und Zwischenstopp in Riga sind wir gut in Vilnius angekommen. Auch die Ton-Angel fand sich schließlich noch im Laderaum unserer Turbo-Prop. In Vilnius ist schönes September-Wetter, so licht und grün haben wir die Stadt bisher nicht erlebt. Weil Fania "vernommen" war, wie sei es ausdrückt, wenn sie zu tun hat und die Kamera nicht dabei haben will (sie führte eine Gruppe des YIVO-Instituts durch das ehem. Ghetto), haben wir einen Kamera-Spaziergang gemacht und Vorbereitungen für die nächsten Tage getroffen. Morgen werden wir uns mit Fania absprechen. Unbedingt wollen wir mit ihr noch einmal das ehem. Ghetto besuchen und die Wälder von Rudnicki. Den Abend werden wir bei Dovid Katz zu Gast sein.



After a short night and a stopover in Riga we arrived at Vilnius today. Fortunately, our sound-boom did not get lost in the depths of the Turbo-Prop we flew with. Vilnius showed off with great September weather - we never saw it so bright and green. Because Fania was "farnummen" today, as she uses to say, when she's busy and doesn't want the camera to be around her (she was guiding a group from the YIVO-Institute through the former Ghetto), we had a walk with the camera through the old town and did some preparations for the days ahead. Tomorrow we'll schedule our meetings with Fania. We definitely would like to visit with her once more the former Ghetto as well as the Rudnicki forest. But first we'll meet with Dovid Katz who just invited us over to his house. 




Thursday, September 20, 2012

Spendenaufruf / call for donations

[english below]

In wenigen Stunden brechen wir auf zu unserem dritten und voraussichtlich letzten Litauen-Besuch im Rahmen der Dreharbeiten. An dieser Stelle noch ein dringender Appell: Unser Projekt braucht eure Unterstützung! Die Kosten für Flug und Unterkunft haben wir schultern können, aber die Ausgaben für Spesen, Transporte und Technik sind nicht gedeckt. Falls ihr auch nur ein bisschen Geld locker habt, bitte investiert es in das Gelingen dieser Fahrt. Vielen Dank vorab!
Euer Liza ruft!-Team

In a few hours we will head off to our third and probably last filming trip to Lithuania. On this occasion, allow us an urgent appeal: Our project needs your support. We were able to ante up the expenses for flights and accommodation, but the costs for fees, transportation and equipment are not covered yet. If you have only a little money at hand, please consider making a donation to make this trip a success. Thank you so much in advance!
Your Liza ruft! team

Sunday, September 16, 2012

A gut Yor! Happy new year!

Heute Abend beginnt Rosch ha-Schana, das jüdische Neujahrsfest. Damit endet das Jahr 5773 nach dem jüdischen Kalender, und das Jahr 5774 beginnt.

Wir wünschen allen Leser_innen unseres Blogs, unseren Unterstützer_innen und vor allem unseren Interview-Partner_innen in Litauen und Israel ein gutes, gesundes und glückliches neues Jahr.

A gut Yor fun Berlin! Schanah towah!


Tonight Rosh Hashanah started, the Jewish New Year's day. It marks the end of the year 5773 of the Jewish calendar, and the start of 5774.

We wish all our blog readers, our supporters and especially our interview partners in Lithuania and Israel a  healthy, prosperous and happy year ahead.


 A gut Yor fun Berlin! Shana tova!

Monday, September 10, 2012

Our teaser is online!

It is done, a first teaser with English subtitles is finally online! The Israel-material has not been considered, and yet it comes with camera recorded sound only. Nevertheless, we are very satisfied. Enjoy! 

   
Besides, we will provide you in the future with exciting outtakes and video interviews on our YouTube channel.

Friday, September 7, 2012

Unser Teaser ist online!

Es ist vollbracht, unser erster Teaser ist endlich fertig und untertitelt! Das Israel-Material ist übrigens noch nicht berücksichtigt, und der Ton ist bisher nur der kameraeigene Ton. Dennoch sind wir sehr zufrieden. Viel Spaß!


Auf unserem YouTube Kanal werdet ihr in Zukunft außerdem spannende Outtakes und Interview sehen können.

An English subtitled version will follow next days!

Thursday, September 6, 2012

Ehrung von Nazi-Kollaborateur_innen stoppen! // Remove All Memorials to Nazi Collaborators!

[english below]

Sehr unterstützenswert ist diese Petition von Krystyna Steiger, alle Denkmäler und Gedenktafeln, die litauische Nazi-Kollaborateur_innen ehren, von öffentlichen Plätzen und Gebäuden in Litauen zu entfernen. Noch immer werden diese in Litauen als "Widerstandskämpfer" gegen die sowjetische Besatzung geehrt. Siehe auch unseren Post zum 23. August.

Beispielhaft ist die unten abgebildete Tafel zu Ehren von Ambrazevicius-Brazaitis, der als Premierminister 'von deutschen Gnaden' die Anweisung unterschrieb, die litauischen Jüdinnen und Juden in Ghettos zu pferchen. Dieser Befehl wurde für die jüdischen Bewohner_innen Wilnas heute vor genau 71 Jahren traurige Wirklichkeit - darunter Fania Brancovskaja und ihre Familie.

Bild von // taken from defendinghistory.com
Krystyna Steiger is petitioning to the Lithuanian Government and Parliament to remove all memorials to Nazi collaborators from public and state facilities. They are still glorified in Lithuania as "resistance fighters" against the soviet occupation. See also our post on August 23th

Paradigmatic is the memorial plate pictured on the left which honors the Nazi puppet prime minister of the 1941 provisional government, Ambrazevicius-Brazaitis, who signed the order for Jews to be herded into a ghetto. This fatal order became reality for the Wilna Jews exactly 71 years ago - among them Fania Brancovskaja and her family.