Tuesday, September 25, 2012

Befragung der Landbevölkerung zu den Partisan_innen // Interviewing the rural population on the partisans

[english below]

Heute früh sind wir mit dem Mietwagen in die Gegend um Rudnicki gefahren, um die Landbevölkerung nach ihrer Meinung zu den Partisan_innen bzw. zu ihren Erinnerungen zu befragen. Fania war durch diese Gegend auf ihrer Flucht aus dem Ghetto gekommen und hatte sich den sowjetischen Partisan_innen angeschlossen, die in den Wäldern operierten. Unsere Erwartungen waren gedämpft, weil niemand glauben wollte, dass es dort noch Augenzeug_innen gibt, zumal große Teile der polnischstämmigen Landbevölkerung nach dem Krieg in die Gebiete umgesiedelt wurden, die von Deutschland an Polen gefallen waren.

Eine besondere Herausforderung war zudem die multiethnische Zusammensetzung der Bevölkerung um Rudnicki, die zumeist darüber entschied, ob polnische, weißrussische, litauische, sowjetische oder jüdische Partisan_innenverbände unterstützt bzw. als Bedrohung betrachtet wurden.Dank der tatkräftigen Hilfe unserer Dolmetscherin Regina Kopelevitch, die als Guide mit Schwerpunkt jüdischer Geschichte tätig ist und aus der Region stammt, gelang es uns, schnell mit den Bewohner_innen ins Gespräch zu kommen. Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sich heraus, dass durchaus noch Augenzeug_innen der Geschehnisse vor Ort leben und diese sehr aufgeschlossen waren.

Im Hinblick auf die sowjetischen bzw. sowjetisch-jüdischen Partisan_innen tat sich ein ganzes Spektrum von Reaktionen auf, das von Sympathien bis hin zu Feindseligkeit reichte. So gab es unterschiedliche Beurteilungen der Ereignisse am 3. Juni 1944 in Pirčiupiai, wo deutsche Soldaten als "Vergeltungsmaßnahme" für einen Partisan_innenüberfall auf einen Wehrmachtstransport die gesamte Dorfbevölkerung in Scheunen trieb und verbrannte.

Besonders beindruckend war das Gespräch mit einem 86-jährigen Dorfbewohner Pirčiupiais, der nur überlebte, weil es ihm gelungen war, sich in den Wald zu flüchten, wo er sich eine Woche versteckt hielt. Unisono brachten die Befragten ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass die ortsansässige Landbevölkerung ganz besonders unter dem Krieg gelitten hat.

Nach unserer Rückkehr nach Vilnius erlaubten uns freundlicherweise die neuen Bewohner_innen die Wohnung im ehemaligen Ghetto zu besichtigen, in der Fania, ihre Familie und ein Dutzend weiterer Menschen hatten leben müssen


This morning we went with a rental car in the area around Rudnicki to interview the rural people on their opinion on the partisans or even learn about their experiences. Fania had come through the area on her escape from the ghetto and had joined the Soviet partisans who operated in its woods.

Our expectations were dampened, because nobody could believe that there were still eye witnesses around, especially since big parts of the Polish population were resettled after the war in the territories that had fallen from Germany to Poland. As a particular challenge we expected the multi-ethnic composition of the rural population around Rudnicki, which often determined about whether Polish, Belarusian, Lithuanian, Jewish or Soviet partisan units were either supported or considered as a threat.


Thanks to the active help of our interpreter Regina Kopelevitch, a guide specialized in Jewish history and with roots in the region, we quickly got into conversation with the residents. To her own surprise, it turned out that quite a few eye witnesses were still around and were even very communicative.
 

Asked about the Soviet or Soviet Jewish partisans a whole spectrum of opinions opened up that ranged from sympathy to hostility. For example, there were different assessments of the events in Pirčiupiai of June 3, 1944 where German soldiers as a "retaliation measure" for a partisan assault on an army transport drove the entire village population in barns and set them on fire. Particularly impressive was talking to a 86-year-old villager of Pirčiupiai who survived only because he was able to escape into the woods where he kept hiding for a week. With one voice, the respondents expressed their conviction that the local rural population suffered terribly from the war.
 

After our return to Vilnius we were invited by the today's residents of the apartment in the former ghetto where Fania, her family and a dozen other people had to live for months under claustrophobic circumstances.

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