Thursday, September 27, 2012

Zay gezunt un shtark, Fania! // Stay healthy and strong, Fania!

[english below]

Gestern haben wir das staatliche "Genocide and Resistance Research Centre" aufgesucht und dessen Direktorin Birutė Burauskaitė interviewt. Eine markante Bezeichnung, nur leider versteht das Zentrum unter Genozid nicht in erster Linie den Holocaust, sondern praktisch ausschließlich die sowjetischen Verbrechen. Diese eigentümliche Interpretation der Geschichte schlägt sich auch in seinen Publikationen nieder oder im angeschlossenen "Museum of Genocide Victims", das erst seit Kurzem in einem kleinen Raum den Opfern des Holocausts gedenkt.

Erwartungsgemäß gab sich Frau Burauskaitė sehr diplomatisch oder zog die "Ich bin mit dieser Problematik nicht vertraut"-Karte. Zwar scheint sie nicht zu den Hardliner_innen zu gehören und äußerte einige Kritik an der staatlichen Gedenkpolitik und dem Umgang mit den jüdischen Partisan_innen, deklarierte diese jedoch umgehend als ihre persönliche Meinung - und nicht als offzielle Äußerung im Namen des Zentrums. Nach dem Interview mussten wir uns beeilen, da wir mit Fania im Jiddischen Institut verabredet waren. Hier trafen wir sie sehr aufgewühlt an, weil wir ohne ihr Einverständnis in der Wohnung im ehemaligen Ghetto einige Aufnahmen gemacht hatten, in der sie und ihre Familie zwei Jahre auf engstem Raume gelebt hatten. Zum Glück war ihr Ärger von kurzer Dauer, und so führte uns Fania noch einmal durch das ehemalige Ghetto, wo sie sehr eindrücklich von ihren Erlebnissen berichtete.


Wir gingen über die Strashun-Bibliothek, wo sie von der FPO-Leitung die Instruktionen zu ihrer Flucht erhalten hatte, über ihre Wohnung, wo sie sich von ihrer Familie ein letztes Mal verabschiedet hatte, über die kleine Pforte zur Deutschen Straße, über die sie mit ihrer Gefährtin Doba Develtof entkommen war, zur Ecke Pylimo/Traku, von der die beiden geschockt sahen, wie Lastwagen mit Soldaten aufs Ghettotor zufuhren.

Nahe dieser Stelle schloss sich ein sehr persönliches Gespräch über ihre Erfahrungen unmittelbar nach der Befreiung an, in dem ihre Verluste, aber auch ihr Lebensmut einmal mehr spürbar wurden - und die Nähe, die sich zwischen uns entwickelt hat. Anschließend begleiteten wir sie noch zum Bus, wo sich unsere Wege für dieses Mal in Vilnius leider trennten. Uns fehlen ganz ehrlich die Worte, an dieser Stelle auszudrücken, was uns ihre Person, ihre Zuneigung und ihr Vertrauen in uns bedeuten. Danke, Fania.


Yesterday we visited the state-run „Genocide and Resistance Research Centre“ and interviewed its director Birutė Burauskaitė. A distinctive institutional name, but strangely the centre's activities do barely cover the Holocaust, but almost exclusively the Soviet crimes. Its odd interpretation of history is reflected in the centre's publication list or in the affiliated „Museum of Genocide Victims“ which has begun to commemorate the victims of the holocaust only recently and in a small room. As expected, Birutė Burauskaitė spoke rather diplomatic. She criticized the state's commemoration practices and its attitude towards former Jewish partisans. However, she marked this to be her personal opinion and not the official position of the centre. 


After the interview we met with Fania whom we found very upset because we took pictures in her family's former apartment in the ghetto without her permission. Fortunately, her anger didn't last long and we took off for a last tour with her in the former ghetto. Once more, she spoke very impressively about her experiences regarding this place.

We walked the way from Strashun library (where she had received the last instructions to escape from the ghetto), to her apartment (where she had said goodbye to her family for the last time), via the little door which lead to the German street (through which she and her companion Doba Develtof had escaped), to the corner of Pylimo with Traku (from where the two watched in horror how trucks with soldiers approached the ghetto).

At this point we got into a very personal conversation about her experiences immediately after the liberation of Vilna throughout which her losses as well as her optimism once more became very noticeable - and also the closeness that has developed between us. Eventually, we accompanied her to the bus, where our ways parted for this time in Vilnius. We honestly lack the words to express what she, her affection and her confidence in our project mean to us. Thank you, Fania!

No comments:

Post a Comment