Früh morgens gab es noch zwei kleinere Rückschläge, dann ging es endlich los. Frau G., eine ehemalige Nachbarin Fanias in Vilnius vor dem Krieg, sagte uns leider überraschend ab. Sie fürchtete Unannehmlichkeiten, welcher Art, wollte sie am Telefon nicht sagen. Wir hoffen, dass sie sich doch noch entscheidet, vor der Kamera mit uns zu sprechen.
Auch Herr H., ein ehemaliges FPO-Mitglied und Partisan, würden wir gerne noch treffen, doch er vertröstet uns von Tag zu Tag. Fania hatte schon vermutet, dass er nicht vor der Kamera sprechen will – offenbar, weil er sich nach Anfeindungen und Ermittlungen der Nürnberger Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten als Partisan und „Avenger“ nicht mehr öffentlich äußern mag. Wir hoffen, seine ehemaligen Kamerad_innen können ihn noch umstimmen, denn er ist ein langjähriger Bekannter Fanias und ein besonders bedeutender Zeuge.
Am Vormittag endlich hatten wir mehr Glück, als wir bei Josef Melamed, dem Vorsitzenden der „Association of Lithuanian Jews in Israel“ im Haus der Organisation zu Gast waren. Im Gegensatz zu Baruch Shub, der in seiner Funktion als Direktor der „Organization of Partisans Underground Fighters, and Ghetto Rebels in Israel“ vorsichtiger war, was politisch verfängliche Äußerungen angeht, nahm Melamed kein Blatt vor den Mund und kritisierte die litauischen Revisionismus scharf. Er meinte, er habe keinerlei Angst, von der Beteiligung der Litauer an der Vernichtung des litauischen Judentums und von seiner Vergangenheit als Partisan zu berichten. Zumal er in Israel – anders als Fania in Litauen - auch nichts zu befürchten habe. Er wolle nichts als die Wahrheit sagen, selbst wenn, wie der langjährige Rechtsanwalt lachend hinzufügte, wir von der litauischen Regierung geschickt worden seien.
Nach dem Mittagessen waren wir bei Litman und Chaya Mor-Moravchick zu Gast, um mit Herrn Mor über seinen Kampf für die FPO in Vilnius bzw. später als Partisan in den Narotsch-Wäldern zu sprechen. Aus einer Einladung zu Kaffee und Kuchen wurde ein sechsstündiger Interview-Marathon, der auch beim Abendessen fortgesetzt wurde. Der 96-Jährige (!) ließ dabei eine ausschweifende Erinnerung der nächsten folgen – während seine Frau Chaya, die mit ihm seit 1945 verheiratet ist, ihn gleichermaßen liebevoll wie stichelnd dazu aufrief, sich kurz zu halten und ihren Besuch - uns – endlich zum Essen kommen zu lassen. Zum Glück hielt er sich nicht daran, denn er hat wirklich viel zu erzählen! So entstand eine unbeschreibliche Menage aus seinen Schilderungen und ihren Zurufen. Und wenn er sich doch einmal verlor, fasste sie seine Exkurse gekonnt zusammen.
Herzlichen Dank an Chaya und Litman Mor für die große Gastfreundschaft und diesen unvergesslichen Tag in ihrem Haus!
Morgen werden wir den ehemaligen Partisanen und Chef von Yad Vashem, Yitzhak Arad, treffen, gegen den 2008 ebenfalls von litauischer Seite ermittelt wurde. Er lebt mit seiner Frau in einer Senior_innenresidenz in Ramat HaScharon.