Heute waren wir bei Rachel Margolis in der Kleinstadt Rehovot zu Besuch, ein Treffen, das wir uns sehr gewünscht haben. Rachel Margolis kennt Fania noch aus ihrer Kindheit und hat als Partisanin in den Wäldern von Narotsch und Rudnicki gekämpft, allerdings in einer anderen Einheit als Fania. Aufgrund eines Nebensatzes in ihrer Autobiographie zum Gefecht von Kaniūkai begann die litauische Staatsanwaltschaft 2008 Ermittlungen gegen sie, Fania und weitere Partisan_innen, die von nationalistischer Hetze begleitet waren.
Unser Treffen fand in der Wohnung von Rachel Margolis' Tochter Emma statt, die zwischenzeitlich übersetzte und aber auch ihre Sicht der Dinge schilderte. Beide sprachen sehr klar und offen und äußerten sich ähnlich wie Arad pessimistisch über die Zukunft für das Judentum in Litauen. Deutlich zeigte sich Margolis‘ Schmerz, die den Großteil ihres Lebens in Litauen verbrachte, sich am Wiederaufbau des Landes beteiligte und 1994 mit 70 Jahren ihrer Tochter Emma nach Israel folgte. Hier lebt sie nun zwischen den Stühlen, seitdem sie in ihrer geliebten Heimat Litauen zur unerwünschten Person gemacht geworden war.
Ein sehr berührendes Interview, für das wir uns bei Emma und Rachel sehr herzlich bedanken.
Friday, July 6, 2012
Thursday, July 5, 2012
Begegnung mit dem Chef von Yad Vashem Yitzhak Arad // Meeting the former head of Yad Vashem Yitzhak Arad
[english below]
Although he is a prominent witness and a historian, he did not lose himself in analysis, but responded to our question on the investigation against him with an emotional narration of how he as a 15 year old was robbed of his life by the German invaders and joined the partisans in order to survive. He also reported on anti-Semitism among Soviet and Lithuanian Communist partisans, while the units of the Polish partsians of the Armia Krajowa hated Jews so much that they rejected them from their ranks. In addition, conflicts with the local rural population arose, especially with Lithuanian inhabited villages. After the liberation by the Soviet Union in the summer of 1944, when Lithuanian nationalists and former collaborators went in the forests to attack the Red Army which was moving under heavy losses towards Berlin, Arad once more took his rifle and fought off the "enemies of the liberators". He emphazised he would take full responsibility for his actions and that he was - as the sole survivor of his family - proud of them. Anything else he was blamed for – the execution of "politically deviant partisans" on behalf of the stalinist NKVD - is nothing but lies and an attempt to delegitimize his position in a historical commission that was formed to investigate the participation of ethnic Lithuanians in the Holocaust.
We are very thankful to Mr. Arad for his hospitality and his trust in our project. We wish him and his wife all the best, especially firm health.
Der Tag ging so erlebnisreich weiter, wie der letzte aufgehört hatte.
Früh morgens fuhren wir mit dem Bus ins unweit von Tel Aviv gelegene
Ramat HaScharon, um Yitzhak Arad zu treffen. Der ehemalige Partisan,
israelische Brigadegeneral und Chef von Yad Vashem erwartete uns in
der Lobby seiner Senior_innen-Residenz, in dem nach seiner Auskunft die
Hälfte Überlebende des Holocausts sind. Nach einigen Takes vor dem
Schwimmbad der Anlage fasste er Vertrauen und lud uns in die Wohnung,
die er mit seiner Frau teilt, die wegen Krankheit leider abwesend war.
Obwohl prominenter Zeitzeuge und selbst Historiker verlor er sich
nicht in Analysen, sondern
antwortete auf unsere Frage nach den Ermittlungen gegen ihn mit einer
emotionalen Schilderung, wie er als 15jähriger vom deutschen
Überfall aus dem Leben gerissen wurde und sich den Partisan_innen
anschloss, um zu überleben.
Auch er berichtete vom Antisemitismus unter den sowjetischen und
kommunistischen litauischen Partisan_innen, während die polnischen
Verbände der Armia Krajowa die Juden_Jüdinnen noch mehr als die
Litauer_innen und Russ_innen hassten und grundsätzlich keine
aufnahmen. Dazu kamen die Konflikte mit der Bevölkerung, vor allem der
litauischen. Als nach der Befreiung durch die Sowjetunion im Sommer
1944 litauische Nationalist_innen in die Wälder gingen, um der
Roten Armee in den Rücken zu fallen, die sich unter schweren
Verlusten Richtung Berlin bewegte, nahm er noch einmal die Waffe in
die Hand und bekämpfte "die Feinde der Befreier".
Für seine
Taten übernehme er die volle Verantwortung und sei – als praktisch
einziger Überlebender seiner Familie - stolz auf sie. Was ihm sonst
versucht werde anzulasten – im Auftrag des NKDW politisch
missliebige Partisan_innen aus dem Weg geräumt zu haben - seien
nichts als Lügen und der Versuch, ihn als Mitglied einer
Historiker-Kommission zu delegitimieren, die die Beteiligung der
Litauer_innen am Holocaust in Litauen untersuchen sollte.
Herrn Arad sei herzlich gedankt für seine Gastfreundschaft und sein Vertrauen in uns. Wir wünschen ihm und seiner erkrankten Frau alles Gute, vor allem Gesundheit.
The day started as exciting as last one's had ended. Early in the morning we took the bus to meet with Yitzhak Arad in Ramat HaSharon close to Tel Aviv. A former partisan, Israeli Brigadier General and head of Yad Vashem, Mr. Arad was awaiting us in the lobby of the retirement home he lives in, in which, according to information he gave us, half the inhabitants are survivors of the Holocaust. After a few takes in the front of the residence's swimming pool he invited us to the apartment he shares with his wife, who was unfortunately absent due to illness.
Herrn Arad sei herzlich gedankt für seine Gastfreundschaft und sein Vertrauen in uns. Wir wünschen ihm und seiner erkrankten Frau alles Gute, vor allem Gesundheit.
The day started as exciting as last one's had ended. Early in the morning we took the bus to meet with Yitzhak Arad in Ramat HaSharon close to Tel Aviv. A former partisan, Israeli Brigadier General and head of Yad Vashem, Mr. Arad was awaiting us in the lobby of the retirement home he lives in, in which, according to information he gave us, half the inhabitants are survivors of the Holocaust. After a few takes in the front of the residence's swimming pool he invited us to the apartment he shares with his wife, who was unfortunately absent due to illness.
Although he is a prominent witness and a historian, he did not lose himself in analysis, but responded to our question on the investigation against him with an emotional narration of how he as a 15 year old was robbed of his life by the German invaders and joined the partisans in order to survive. He also reported on anti-Semitism among Soviet and Lithuanian Communist partisans, while the units of the Polish partsians of the Armia Krajowa hated Jews so much that they rejected them from their ranks. In addition, conflicts with the local rural population arose, especially with Lithuanian inhabited villages. After the liberation by the Soviet Union in the summer of 1944, when Lithuanian nationalists and former collaborators went in the forests to attack the Red Army which was moving under heavy losses towards Berlin, Arad once more took his rifle and fought off the "enemies of the liberators". He emphazised he would take full responsibility for his actions and that he was - as the sole survivor of his family - proud of them. Anything else he was blamed for – the execution of "politically deviant partisans" on behalf of the stalinist NKVD - is nothing but lies and an attempt to delegitimize his position in a historical commission that was formed to investigate the participation of ethnic Lithuanians in the Holocaust.
We are very thankful to Mr. Arad for his hospitality and his trust in our project. We wish him and his wife all the best, especially firm health.
Wednesday, July 4, 2012
Kamera ab - endlich drehend!
Früh morgens gab es noch zwei kleinere Rückschläge, dann ging es endlich los. Frau G., eine ehemalige Nachbarin Fanias in Vilnius vor dem Krieg, sagte uns leider überraschend ab. Sie fürchtete Unannehmlichkeiten, welcher Art, wollte sie am Telefon nicht sagen. Wir hoffen, dass sie sich doch noch entscheidet, vor der Kamera mit uns zu sprechen.
Auch Herr H., ein ehemaliges FPO-Mitglied und Partisan, würden wir gerne noch treffen, doch er vertröstet uns von Tag zu Tag. Fania hatte schon vermutet, dass er nicht vor der Kamera sprechen will – offenbar, weil er sich nach Anfeindungen und Ermittlungen der Nürnberger Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten als Partisan und „Avenger“ nicht mehr öffentlich äußern mag. Wir hoffen, seine ehemaligen Kamerad_innen können ihn noch umstimmen, denn er ist ein langjähriger Bekannter Fanias und ein besonders bedeutender Zeuge.
Am Vormittag endlich hatten wir mehr Glück, als wir bei Josef Melamed, dem Vorsitzenden der „Association of Lithuanian Jews in Israel“ im Haus der Organisation zu Gast waren. Im Gegensatz zu Baruch Shub, der in seiner Funktion als Direktor der „Organization of Partisans Underground Fighters, and Ghetto Rebels in Israel“ vorsichtiger war, was politisch verfängliche Äußerungen angeht, nahm Melamed kein Blatt vor den Mund und kritisierte die litauischen Revisionismus scharf. Er meinte, er habe keinerlei Angst, von der Beteiligung der Litauer an der Vernichtung des litauischen Judentums und von seiner Vergangenheit als Partisan zu berichten. Zumal er in Israel – anders als Fania in Litauen - auch nichts zu befürchten habe. Er wolle nichts als die Wahrheit sagen, selbst wenn, wie der langjährige Rechtsanwalt lachend hinzufügte, wir von der litauischen Regierung geschickt worden seien.
Nach dem Mittagessen waren wir bei Litman und Chaya Mor-Moravchick zu Gast, um mit Herrn Mor über seinen Kampf für die FPO in Vilnius bzw. später als Partisan in den Narotsch-Wäldern zu sprechen. Aus einer Einladung zu Kaffee und Kuchen wurde ein sechsstündiger Interview-Marathon, der auch beim Abendessen fortgesetzt wurde. Der 96-Jährige (!) ließ dabei eine ausschweifende Erinnerung der nächsten folgen – während seine Frau Chaya, die mit ihm seit 1945 verheiratet ist, ihn gleichermaßen liebevoll wie stichelnd dazu aufrief, sich kurz zu halten und ihren Besuch - uns – endlich zum Essen kommen zu lassen. Zum Glück hielt er sich nicht daran, denn er hat wirklich viel zu erzählen! So entstand eine unbeschreibliche Menage aus seinen Schilderungen und ihren Zurufen. Und wenn er sich doch einmal verlor, fasste sie seine Exkurse gekonnt zusammen. Herzlichen Dank an Chaya und Litman Mor für die große Gastfreundschaft und diesen unvergesslichen Tag in ihrem Haus!
Morgen werden wir den ehemaligen Partisanen und Chef von Yad Vashem, Yitzhak Arad, treffen, gegen den 2008 ebenfalls von litauischer Seite ermittelt wurde. Er lebt mit seiner Frau in einer Senior_innenresidenz in Ramat HaScharon.
Am Vormittag endlich hatten wir mehr Glück, als wir bei Josef Melamed, dem Vorsitzenden der „Association of Lithuanian Jews in Israel“ im Haus der Organisation zu Gast waren. Im Gegensatz zu Baruch Shub, der in seiner Funktion als Direktor der „Organization of Partisans Underground Fighters, and Ghetto Rebels in Israel“ vorsichtiger war, was politisch verfängliche Äußerungen angeht, nahm Melamed kein Blatt vor den Mund und kritisierte die litauischen Revisionismus scharf. Er meinte, er habe keinerlei Angst, von der Beteiligung der Litauer an der Vernichtung des litauischen Judentums und von seiner Vergangenheit als Partisan zu berichten. Zumal er in Israel – anders als Fania in Litauen - auch nichts zu befürchten habe. Er wolle nichts als die Wahrheit sagen, selbst wenn, wie der langjährige Rechtsanwalt lachend hinzufügte, wir von der litauischen Regierung geschickt worden seien.
Nach dem Mittagessen waren wir bei Litman und Chaya Mor-Moravchick zu Gast, um mit Herrn Mor über seinen Kampf für die FPO in Vilnius bzw. später als Partisan in den Narotsch-Wäldern zu sprechen. Aus einer Einladung zu Kaffee und Kuchen wurde ein sechsstündiger Interview-Marathon, der auch beim Abendessen fortgesetzt wurde. Der 96-Jährige (!) ließ dabei eine ausschweifende Erinnerung der nächsten folgen – während seine Frau Chaya, die mit ihm seit 1945 verheiratet ist, ihn gleichermaßen liebevoll wie stichelnd dazu aufrief, sich kurz zu halten und ihren Besuch - uns – endlich zum Essen kommen zu lassen. Zum Glück hielt er sich nicht daran, denn er hat wirklich viel zu erzählen! So entstand eine unbeschreibliche Menage aus seinen Schilderungen und ihren Zurufen. Und wenn er sich doch einmal verlor, fasste sie seine Exkurse gekonnt zusammen. Herzlichen Dank an Chaya und Litman Mor für die große Gastfreundschaft und diesen unvergesslichen Tag in ihrem Haus!
Morgen werden wir den ehemaligen Partisanen und Chef von Yad Vashem, Yitzhak Arad, treffen, gegen den 2008 ebenfalls von litauischer Seite ermittelt wurde. Er lebt mit seiner Frau in einer Senior_innenresidenz in Ramat HaScharon.
Tuesday, July 3, 2012
Start mit Schwierigkeiten
Gut in Tel Aviv angekommen kämpfen wir nicht nur mit der extremen Hitze, sondern auch mit unserem Tonequipment, das uns leider spontan den Dienst versagt hat. Nach langem Herumtelefonieren haben wir es geschafft, einen neues Aufnahmegerät zu leihen. Vielen Dank an die Heymann Brothers, GreenProductions und Oleg Kaizerman an dieser Stelle!
Dabei ging es inhaltlich höchst spannend los. Heute morgen haben wir den 88-jährigen Baruch Shub getroffen, Direktor der Organization of Partisans Underground Fighters, and Ghetto Rebels in Israel, der uns in dem unscheinbaren Büro der Vereinigung in einem Wohnhaus in der Arlozoroff street empfing. Er selbst war Partisan in den Wäldern von Narotsch östlich von Vilnius und war 1946 nach Palästina ausgewandert.
Er bat uns vorab, die Kamera nicht einzuschalten, da er erst mit seiner Organisation absprechen wollte, zu welchen Themen er sich offiziell äußern kann. Obwohl bemüht, nichts politisch Verfängliches zu sagen, konnte er sich kaum zügeln.
Der Hinweis auf Fania Brancovskaja und Kaniukai war ihm Anlass genug, uns die Wirklichkeit des Partisanen_innenkampfes, das Verhältnis zur christlich-polnischen bzw. zur christlich-litauischen Landbevölkerung und die Feindseligkeiten zwischen den polnischen und den sowjetischen Partisan_inneneinheiten auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf Kaniukai brachte er seinen Standpunkt wie folgt auf den Punkt: "We were neither angels nor were we murderers. We were soldiers!"
Baruch Shub bei einer Gedenkveranstaltung |
Zum konkreten Fall Fania Brancovskaja wird er vermutlich keine scharfen Worte finden, da er die israelisch-litauischen Beziehungen bzw. die jüdischen Menschen in Litauen nicht gefährden will. Doch ist für ihn klar, dass diese Anklage unsinnig und politisch motiviert ist. Wir werden ihn vermutlich Freitag oder Sonntag treffen und freuen uns auf weitere interessante Einblicke, dann auch vor der Kamera.
Morgen werden wir Frau G., eine Freundin von Fania treffen, am Donnerstag den ehemaligen Partisanen Yitzhak Arad, der 2008 ebenfalls angeklagt werden sollte, und am Freitag sprechen wir mit Rachel Margolis, einer ehemaligen Partisanin und Mitkämpferin von Fania.
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